Pressekonferenz mit Thomas Langhoff am Deutschen Theater Berlin

 

 

 

 

Bühne im Konjunktiv

 

In der Schumannstraße 13a in Berlin, am Deutschen Theater, hat es seit 1883 viele denkwürdige Theaterabende gegeben, aber gewiß nur wenige außergewöhnliche Pressekonferenzen. Zu einer „Bühne im Konjunktiv" hatten der noch amtierende Intendant, Dieter Mann, und der zum 1. August 1991 berufene neue Chef, Thomas Langhoff, geladen. Mit ihnen am Tisch hatten prominente Ensemblemitglieder Platz genommen: Jutta Wachowiak, Johanna Schall, Kurt Böwe, Jörg Gudzuhn. An ihrer Seite: Heiner Müller. Neu in der Runde: Michael Eberth, bisher am Wiener Burgtheater, nun möglicherweise Chefdramaturg. Und Dr. Klaus Siebenhaar von der Freien Universität, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit. Sofern es das Theater weiterhin geben wird.

Das „Präsidium" war ein Zeichen für ungebrochenen Arbeitswillen, dafür, daß künstlerisches Niveau bewahrt werden soll, in befruchtender Konkurrenz zum Schiller-Theater und zur Schaubühne. Aber noch sind alle Absichten fiktiv. Langhoff: „Wir sind in der Lage zu sagen, was wir tun können. Ob wir es können, steht in den Sternen." Vier Regisseure sind fest gebunden: Thomas Langhoff, Heiner Müller, Friedo Solter und Frank Castorf. Dazu gesellen sich prominente Gäste. Adolf Dresen, Dieter Dorn und Rolf Winkelgrund sind im Gespräch. Manfred Karge, Carl-Hermann Risse und Erhard Marggraf arbeiten bereits an Inszenierungen.

Noch in dieser Saison ist außerdem Ibsens „Peer Gynt" (Regie: Friedo Solter) zu erwarten. Für die Spielzeit 1991/92 angekündigt sind u. a.: Heiner Müllers „Mauser/Quartett" (Regie: der Autor); Shakespeares „Heinrich VI." (Regie: Katja Paryla); Kleists „Käthchen von Heilbronn" (Regie: Thomas Langhoff); Lothar Trolles „Hermes in der Stadt" (Uraufführung, Regie: Frank Castorf); Klaus Pohls „Karatebilly kehrt zurück" (Regie: Alexander Lang).

Die Vorhaben sind respektabel. „Im großen und ganzen", informierte Langhoff, „bleibt das Ensemble bestehen." Die Bewerbungen seien zahlreich, wobei ein Spitzenschauspieler im Moment nicht zu bezahlen sei.

Nur normal ist, daß sich das Deutsche Theater etatmäßig mit der Westberliner Staatsbühne, dem Schiller-Theater, vergleicht. Das Deutsche Theater erhielt vor der Wende rund 12 Mill. DDR-Mark jährlich, das Schiller-Theater rund 36 Mill. D-Mark. Wer mit wieviel Mitteln künstlerische Leistung vollbracht hat, sei hier nicht erörtert. Aber fest steht, daß die Subventions-Unterschiede nicht bleiben können. Zur Zeit hat das Deutsche Theater überhaupt keinen Etat, darf aber noch arbeiten.

Dazu Thomas Langhoff: „Ich finde, man sollte die Möglichkeiten dieses Hauses erhalten. Im Moment bietet sich an, daß die Mannschaft das machen könnte, wie sie aus diesem Haus gewachsen ist. Hier an diesem Haus kann ich mir nur vorstellen, daß man es beläßt als Comedie-Francaise Deutschlands, als Burgtheater oder was weiß ich, als einen solchen Ort, oder gar nicht. Dieses Haus, das natürlich für uns auch vom Raum her die Stradivari ist, auf der man spielen kann. Es gibt keinen schöneren Theaterort."

Bleibt offen, ob eine Regierung, die über Nacht Milliarden für einen Krieg locker macht, Millionen für die Theaterkunst bereitstellen wird. Denn natürlich ist der Erhalt der Berliner Theaterszene nicht allein Sache des Senats. Dort scheint man in Sachen Kultur derzeit nationaler Verantwortung und Würde näher als in Bonn.

 

 

 

Neues Deutschland, 25. März 1991