„Hotel Orpheu“ von Gabriel Gbadamosi in der Schaubühne Berlin, Regie Matthias Gehrts

 

 

 

Krieg im Einbettzimmer

 

Zu dieser Uraufführung wird man in den Keller der Berliner Schaubühne geleitet. Genauer: zwischen die Segmente der Bühnen-Maschinerie. Der Zu­schauer nimmt scheinbar un­mittelbar im Frachtraum eines portugiesischen Fischdamp­fers Platz. Zum Glück ist die Fracht aus Plaste. Obwohl Au­tor Gabriel Gbadamosi wünscht, „es riecht nach Fisch und Maschinenöl", kam nie­mand auf die Idee, den Geruch zu imitieren. Dies hätte, bei selbst annehmbaren Tempe­raturen in dem Gewölbe, wohl niemand ausgehalten. Anson­sten erlebt man in der Regie des jungen Matthias Gehrts eine sauber naturalistische Vorstellung.

In dem Frachtraum haben sich zwei Angolaner versteckt. Joao (Michael König) ist weißer, Joe (Nicholas Monu) ist schwarzer Hautfarbe. Ob­wohl sie beide vor dem Krieg in Angola fliehen, nehmen sie ihn letztlich mit nach Lissabon. Sie mieten dort im „Hotel Orpheu", so der Titel des Stückes, ein schmuddeliges Zimmer mit einem Bett, das sie sich teilen. Wenn der eine arbeitet, schläft der andere. Sofern sie Arbeit finden.

Daß Joao sich als Polizei­spitzel hat anheuern lassen, was ihm eine Pistole ein­brachte, ist die Überraschung des zweiten Aktes. Auch daß er rauschgiftabhängig ist. Im ersten Akt, noch im Fracht­raum, hatte sich Joe ihm als Besitzer eines Diamanten of­fenbart, den er ihm anver­traute. So hatten sie zunächst ihr Auskommen in der Stadt. Nun glaubt Joao, der Schwarze habe noch mehr Edelsteine. Al­so bedroht er ihn mit der Pi­stole, kettet er ihn an die Hei­zung - Krieg zwischen Ango­lanern in einem Hotelzimmer. Und kein Frieden. Als Joao begreift, daß bei seinem Lei­densgefährten nichts mehr zu holen ist, spritzt er sich eine Überdosis Heroin...

Das Verdienst des 1961 in London geborenen Autors Ga­briel Gbadamosi ist, mit diesem Stück-Versuch auf einen vergessenen Krieg aufmerk­sam zu machen. Wer weiß schon noch, wen interessiert gar, daß Portugal in den 70er Jahren seine Kolonie Angola verlor, daß fast eine Million Menschen ins ehemalige „Mut­terland" flohen, daß aber mit dem Sieg der MPLA in Angola nicht Frieden einkehrte, son­dern die von Südafrika und den Westmächten unterstützten Rebellen-Organisationen UNITA und FNLA das afrikanische Land mit Krieg überzogen. Gbadamosi gibt mit der Tra­gödie der zwei Angolaner, die sich bekämpfen, statt sich zu solidarisieren, ein Bild vom Schicksal eines afrikanischen Volkes unter den Bedingungen des weltweiten Zugriffs des Ka­pitals. Aber der Autor vermag seinen Konflikt leider nicht mit den sozialen Hintergründen zu vernetzen, er stellt ihn hin als einen Streit zwischen zwei Menschen weißer und schwar­zer Hautfarbe. Die Regie kann da nichts ändern. So erzählt das Stück von erschütternder menschlicher Unzulänglichkeit und bedient die Klischees der Rassengegensätze, ohne sich allerdings als billiger Reißer zu etablieren.

Die Darsteller agieren mit Engagement. Ihnen ist es zu danken, wenn der Abend berührte. Nicholas Monu, agil, wendig, ist ein Joe von ele­mentarer Kraft. Michael König, behäbig, korpulent, ist ein Joao von erschöpftem Lebenswillen. Für die realistischen Spielplät­ze zwischen der Bühnenma­schinerie sorgten Ruth Faltin und Gisbert Jäkel.

 

 

Neues Deutschland, 6. Juli 1994