„Das tolle Lamm“ von Aurel Baranga,
deutsche Erstaufführung am Theater Senftenberg,
Regie Horst Schönemann
Das
tolle Lamm
Da werden Bürokraten satirisch aufgespießt. Das scheint
uninteressant, schon fast alltäglich. Denn
in Romanen, Kurzgeschichten, Filmen
und Theaterstücken, überall
entlarven wir diese unsympathischen
Zeitgenossen. Das Alte verkriecht sich aber nicht nur in Bürokraten. Nehmen sich Autoren dennoch derlei Ungeziefer vor, dürfen sie nicht allgemein
karikieren, sondern sie müssen erbarmungslos
zustechen, originell und neuartig. Und dann wird's interessant und einmalig.
So in Senftenberg bei der deutschen Erstaufführung des
„Tollen Lamms". Der rumänische Autor, Staatspreisträger Aurel Baranga (er wohnte der Premiere bei), schickt sein tolles Lamm in das technische Kabinett eines großen Metallwerkes
in Siebenbürgen, wo es gehörig aufräumt. In besagtem Kabinett haben sich nämlich einige Schmarotzer eingenistet: der
Oberingenieur Radu Cristescu, Ingenieur Cavafu, Dumitrescu, der Leiter des technischen Kabinetts,
und der technische Referent Bontas. Diese vier lassen aus Böswilligkeit, Bequemlichkeit und Unverständnis die Verbesserungsvorschläge der Arbeiter in den Akten schmoren. Auch Spiridon Biserica läßt sich zunächst abweisen, gutmütig wie er ist.
Nach turbulenter Handlung kommt er ihnen
aber auf die Schliche. Der
lammfromme Biserica wird zum tollen Lamm: Er setzt die
sauberen Herrschaften mit Hilfe der Partei an die frische Luft.
Die
Regie Horst Schönemanns hat das Ganze geschickt gestrafft. Mit wissendem
Verständnis für die Lebensart eines oberflächlichen Cristescu
(Friedo Solter), eines intriganten Cavafu (Alfred Müller), eines verstockt-bürokratischen Dumitrescu (Hermann Eckhardt) und eines
dümmlichen Bontas (Erich Petraschk)
schafft sie gewissermaßen deren
Abziehbilder: Ironisch gewürzt,
satirisch zugespitzt, bisweilen herzhaft übertrieben und immer geistvoll
überlegen spielt man die Kritik der Figuren. Der Stil der Inszenierung stimmt,
und es wird klar, daß wir derlei Gelichter ernst zu
nehmen haben, daß wir aber mit wachen Augen sehr bald
erkennen, welch erbärmliches Gerümpel es ist am Rande unseres großen
Bauplatzes.
SONNTAG,
26. Februar 1956