4. Alltag der Ausbildung (1920-1933)

 

 

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Held in seinem Arbeitszimmer

 

4.12  Helds letzter Brief

Im März 1929 kam Max Reinhardt von einer Amerikareise zurück. Bei seiner Ankunft in Cuxhaven fragte ihn der Korrespondent des «Berliner Lokal-Anzeigers», welche Pläne er für seine Berliner Thater habe, worauf Reinhardt lebhaft versicherte: «Meine Arbeit für Berlin soll von jetzt ab noch intensiver werden als bisher... Berlin hat einen Anspruch darauf...» (4.91) Einen Tag später, am 23. März 1929, meldete der «Berliner Börsen-Courier»: «Max Reinhardt... wird sich mehr als bisher seinen Berliner Bühnen widmen müssen, um die Angriffe gegenstandslos zu machen, die erst kürzlich wieder - auch im preußischen Landtagsausschuß — gegen die Gemeinnützigkeitserklärung des Deutschen Theaters laut geworden sind...» (4.92)

Das Verhältnis Reinhardts zu seiner Schule indessen war seit langem nur noch ein platonisches. Im Rahmen der Feier des 25jährigen Jubiläums der Gründung ergriff er das Wort und erinnerte an die Mitarbeiter der ersten Jahre: «Sie und manche andere, die hier Leben und Sterben gelehrt haben, sind inzwischen von der Bühne des Lebens abgegangen, und ihr einst so beredter Mund ist für immer verstummt. Aber die Schauspielschule selbst ist lebendig geblieben und wird hoffentlich noch lange lebendig bleiben(4.93) Seine Hoffnung sollte sich erfüllen.

Doch die Bedingungen der Existenz der Schule waren mißlicher denn je. Im Februar 1931 richtete Held vom Krankenlager im St. Hedwigs-Krankenhaus einen letzten Brief an seinen alten Freund: «In kurzem werden es fünf Monate sein, daß ich krank und arbeitsunfähig bin... Über den materiellen Ruin, dem mich diese Krankheit zugeführt hat,... will ich nicht sprechen... In diese meine seelische Bedrängnis kommt nun auch von der Schauspielschule, die in diesem Jahr durch mein Fehlen und durch Gewährung mehr als vorgesehener Freistellen in finanzielle Bedrängnis gerät, ein Notruf. Wir werden dies Jahr voraussichtlich mit Defizit abschließen... Trotz des Jubiläums der Schule hat sich Deine und Deiner Freunde Stimmung zur Schule nicht geändert... Ich will mich darüber nicht verbreiten...» (4.94) Held bat, Mittel der sogenannten Reinhardt-Stiftung (4.95) einzusetzen, «damit der Anschein vermieden werde, daß die Max-Reinhardt-Stiftung eine gegen die "Schauspielschule des Deutschen Theaters" gerichtete Demonstration darstelle, als welche sie zur Zeit erscheint, während sie bei der Gründung der Stiftung als solche nicht gedacht war.» (4.96)Wie Reinhardt reagierte, ist nicht überliefert.

Am 27. Februar 1931 starb Berthold Held. Die Vereinigung künstlerischer Bühnenvorstände, deren geschäftsführender Vorsitzender er war, würdigte sein Lebenswerk mit einem Nachruf, in dem es hieß: «Und wenn der "Gärtnerdienst" an seiner geliebten Theaterschule seine Kräfte tagsüber band, so sahen unzählige Abendstunden ihn daheim an seinem Schreibtische...» (4.97) Reinhardt schrieb an die Witwe: «Liebe, herzlich verehrte Frau, der unerwartet jähe Tod Berthold Helds hat mich erschüttert wie ein tiefer Riß, der über mehr als drei Jahrzehnte zurückläuft bis in meine frühesten Anfänge. Was er damals mir gewesen ist, dem zwanzigjährigen Schauspieler, ein treuer Freund und Berater, ein Erkenner und Bekenner, ein Meister seines Handwerks und vor allem ein Hüter und Führer des heiligen Feuers: Das ist er bis zu seinem letzten Atemzug geblieben, das hat er als seinen Beruf erkannt, und dazu war er in Wahrheit berufen...» (4.98)

 

 

Anmerkungen:

 

 

4.91     Berliner Lokal-Anzeiger, 22. März 1929    Zurück zum Text

 

4.92     Berliner Börsen-Courier, 23. März 1929    Zurück zum Text

 

4.93     Max Reinhardt, Schriften, Berlin 1974, S. 323    Zurück zum Text

 

4.94     Brief v. Berthold Held an Max Reinhardt v. 10.2.1931, HS-Archiv, Bl. 451    Zurück zum Text

 

4.95      Ein Kuratorium unter Mitwirkung Reinhardts entschied über die Vergabe von Preisen (je 1500 Mark) an junge, talentierte und der Förderung würdige Schauspieler.    Zurück zum Text

 

4.96     Brief v. Berthold Held an Max Reinhardt v. 10.2.1931, HS-Archiv, Bl. 452/453    Zurück zum Text

 

4.97     Die Scene, Blätter für Bühnenkunst, 21. Jhrg., März 1931, Heft 3, S. 66    Zurück zum Text

 

4.98    Max Reinhardt, Schriften, a.a.O., S. 130    Zurück zum Text

 

 

 

 

 

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