„Ein Gag
für Max“ von Neil Simon am Renaissance-Theater Berlin, Regie Meinhard Zanger
Boris
Aljinovic
Don Quichotterie eines Showmasters
Neil
Simon, Jahrgang 1927, gilt als erfolgreichster
amerikanischer Dramatiker der Gegenwart. Was mag den Autor von »Barfaß
im Park«, »Sonny Boys« und »Sweet Charity« bewogen haben, an die schwarzen
Listen McCarthys zu erinnern? Sein
sozialkritisches Stück »Ein Gag für
Max« (Originaltitel »Gelächter im 23.
Stock«), uraufgeführt 1993 am Broadway, ist scheinbar pure Unterhaltung
über gängige Praktiken im
Fernseh-Show-Geschäft des Jahres 1953. Doch sozusagen zwischen den Zeilen transportierte es allerhand Bitternis über die schön demokratisch bemäntelte, nach
wie vor ziemlich diktatorische Allmacht
derer, in deren Händen sich das Geld
befindet.
Zu begrüßen, daß sich das Berliner Renaissance-Theater für die deutschsprachige
Erstaufführung des Stückes entschied. Erfreulich zudem, daß Regisseur Meinhard Zanger die geistige Vitalität des Autors
gut bediente, die komische Don Quichotterie seiner Figuren. Gut auch, wie Zanger diesem Stück voller Gags noch ein paar aus aktueller Senats-Spar-Posse hinzufügte.
Gelächter also. Im 23. Stock eines New Yorker
Wolkenkratzers, im sogenannten Autoren-Zimmer (Bühnenbild Dieter Klaß), residiert
Showmaster Max Prince mit seinen Gag-Schreibern, allesamt überdrehte
Intellektuelle, aber immerhin mit ausgeprägtem Sinn für
das, was den Menschen eigentlich ausmacht. So rüde und aggressiv sie miteinander umgehen, was Recht und
Unrecht ist im Leben, wissen sie noch gut zu
unterscheiden. Weshalb sie aufmüpfig sind, zum Widerstandsnest
zu werden drohen, zu einem Hort gewitzt-gesunden
Menschenverstandes. Das heißt, sie produzieren ihren Geldgebern nicht genug »Sch...« fürs Volk. Sie
predigen nicht willige Konformität. Also droht
Zensur, wird ihnen die Sendezeit beschnitten,
der Etat gekürzt, werden sie fertig gemacht.
Kläglich ihr Versuch, sich zu
wehren. Noch eben mächtige, wie es schien einflußreiche
Fernseh-Matadoren, jetzt armselige Würstchen. Showmaster Max Prince, dem Gott, dem alle zu Füßen liegen, bleibt die eitle
Pose. Er reagiert seine Aggressionen an einer Pappwand
ab. Immer mal wieder schlägt er mit der Faust hindurch und läßt die entstandenen Löcher dann mit Bildern
überdecken. Scherz, Satire und tiefere Bedeutung; Komik
einerseits, amüsanter Blick in die brodelnde Witze-Küche einer Fernseh-Show, Tragik andererseits, rührende Sicht auf ein nur noch vom Galgenhumor
zusammengehaltenes Team einsamer
Individualisten.
Ein Stück, verteufelt schwer zu
spielen. Glaubwürdige Authentizität läßt sich nur mit
äußerst differenzierter Darstellungskunst herstellen,
am ehesten von einem eingefuchsten Ensemble. Was am Renaissance-Theater nicht
zur Verfügung steht. Um so bemerkenswerter
die situative Genauigkeit, das
Bemühen der Akteure, skurrile
Realitäten zu liefern, nicht leere Theaterei. Boris Aljinovic, dieser mimische Tausendsassa, ist als Max Prince vielleicht um eine Idee zu aufwendig, dessen Chuzpe nicht locker genug, dessen Suaden zu einförmig laut. Das wird sich einspielen. Mit von der Partie u. a. Ulrike Jackwerth, Uwe Bertram, Charles Brauer, Matthias Günther und Christoph Jacobi.
Neues Deutschland,
29. Oktober 1996