7. Die Staatliche Schauspielschule (1951)

 

 

dierichs,otto

Otto Dierichs

 

 

 

7.2  Otto Dierichs  -  Organisator der Eigenständigkeit

Ohne Zweifel gebührt Direktor Otto Dierichs das Verdienst, in dieser Umbruchs-Situation die Belange der Schauspielschule des Deutschen Theaters zielstrebig vertreten zu haben. «Unter meiner Leitung», hielt er fest, «erfolgte eine Überprüfung des gesamten Ausbildungswesens auf dem Gebiet der Theater der DDR.» (7.9) Er hatte also die Möglichkeit, bestimmend einzuwirken. Vermutlich hat er einen Artikel lanciert, der unter der Überschrift «Schauspieler brauchen wir!» im ersten Juliheft 1951 von «Theater der Zeit» erschien.

Da hieß es zunächst: «Wir verfügen zur Zeit über etwa zehn Ausbildungsstätten für Schauspielernachwuchs. Hinzu kommt eine Anzahl privater Lehrer. Auch findet an einigen Theatern, getarnt als "Studio", eine Art von schulmäßiger Ausbildung sozusagen "schwarz" statt... Abgesehen von ganz wenigen Schulen und dem Theaterinstitut in Weimar erfolgt die Ausbildung zwar auf dem Papier nach den Lehrplänen, nur können diese in der Praxis nicht eingehalten werden.» (7.10) Als Hauptübel wurde genannt, dass «die Schauspielschulen fast durchweg Anhängsel der Bühnen sind... Das Interesse der Intendanten, gute Komparserie und zusätzlich Darsteller für kleinere Rollen -manchmal sogar größere! — zu haben, widerspricht dem Interesse des Schülers... Der Lehrplan wird durch (notwendige) Bühnenproben gestört... Erste Forderung also: Den Intendanten ist jedes Verfügungsrecht über die Schule zu nehmen.» (7.11) Einzig verantwortlich und deshalb auch verfügungsberechtigt sollte der Schulleiter sein, der sich selbstverständlich mit den Lehrkräften zu beraten habe.

Dann wurde festgestellt, «daß wir zu wenig brauchbare Lehrer haben» und andererseits «selbst der beste Privatlehrer... nicht in allen notwendigen Fächern unterrichten» (7.12) kann. Zum allgemeinen Niveau an den zehn Ausbildungsstätten hieß es: „Betrachten wir... die Ausbildungsmethoden aller Schauspielschulen (mit Ausnahme des Theaterinstituts in Weimar und zum Teil der Schauspielschule des Deutschen Theaters in Berlin), so bemerken wir, daß der Unterricht in vielen Fächern sich kaum wesentlich vom Unterricht eines Privatlehrers unterscheidet, nur greift er wegen der höheren Schülerzahl weniger tief. Das kann auch gar nicht anders sein, denn die Lehrer der Schulen sind fast ausschließlich vielbeschäftigte... Schauspieler der Bühne, deren Anhängsel die Schauspielschule ist. Diese Lehrer unterrichten jeder nach seinem "System", jeder mit einem andern, häufig ganz individuellen Ziel...“ (7.13) Schließlich wurde als «unbedingt erforderlich» bezeichnet, «dem Beispiel der Schauspielschule des Deutschen Theaters und des Studios der DEFA zu folgen, die sich vereinigt haben, um die Kräfte zu konzentrieren.» (7.14)

Mit letzterer Anmerkung wurde als bereits vollzogen verkündet, was unter Mitwirkung von Otto Dierichs zwar im Gange, aber noch nicht endgültig vollzogen war. In einer Hausmitteilung vom 2. Juli 1951 (also im Monat des Erscheinens des oben zitierten Artikels) an das Sekretariat Minister Holtzhauer bat Fritz Erpenbeck «folgende vordringliche Aufgaben» auf die Tagesordnung zu setzen: «1. Einreichung des Theatergesetzes, 2. Beschluß über die Organisationsform des Zentralen Stellennachweises... 3. Reorganisation des Schulwesens ohne jeden Zeitverlust.» (7.15) Die entsprechenden Entscheidungen fielen, wenn auch verzögert (7.16)

«Im September 1951 wurden die neun städtischen Schauspielschulen und die an den Musikhochschulen bestehenden Theaterabteilungen geschlossen. Zur gleichen Zeit wurden neben der Hochschule für Schauspielkunst (Deutsches Theater-Institut) zwei staatliche Fachschulen für Schauspielkunst, und zwar eine in Berlin und die andere in Leipzig, gegründet.» (7.17) Bei der Hochschule für Schauspielkunst handelte es sich um das Deutsche Theaterinstitut in Weimar, das also fortbestand. Die Schule in Berlin ging hervor aus der Schauspielschule des Deutschen Theaters und dem bei der Gelegenheit aufgelösten Studio der DEFA.

Fast synchron agierte man in Westberlin. Unter der Leitung von Hilde Körber (7.18), die zu keiner Zeit eine wirkliche Beziehung zum Deutschen Theater hatte, wurde eine Schauspielschule (7.19) etabliert, die den Namen Reinhardt für sich beanspruchte und sich dies obendrein von Helene Thimig, seiner Witwe, gutheißen ließ.

Für die «Haushaltsplanung 1951» der nunmehr Staatlichen Schauspielschule Berlin waren als Einnahmen Semestergebühren (Schulgeld) von 40 Studenten zu je 50 Mark veranschlagt worden und als Ausgaben Stipendien für 60 Schüler mit durchschnittlich 150 Mark monatlich. (7.20) Von den 77 Schülern erhielten schließlich 68 ein Stipendium und drei Schüler Gebührenerlass und ein Betriebsstipendium. (7.21)

 

 

 

 

Anmerkungen:

 

7.9     Otto Dierichs, Überblick über meine Entwicklung, HS-Archiv, Bl. D4    Zurück zum Text

7.10    Friedrich Anders, Schauspieler brauchen wir! in: Theater d. Zeit, Berlin 1951, Heft 10, S. 4    Zurück zum Text

7.11     Ebenda     Zurück zum Text

7.12     Ebenda     Zurück zum Text

7.13   Ebenda    Zurück zum Text

7.14     Ebenda    Zurück zum Text

7.15    Hausmittlg. v. F. Erpenbeck an Minist. Holtzhauer v. 2.7.1951, Archiv M.f.K., Sign. Nr. 986/12    Zurück zum Text

7.16    Die Verzögerung trat ein, weil alle kulturellen Einrichtungen mit der Vorbereitung der III. Weltfestspiele in Berlin beschäftigt waren. Vgl. Aktennotiz über eine Bespr. m. d. stellv. Dir. d. Deutsch. Theater-lnst. v. 12.7.1951, Archiv M.f.K., Sign. Nr. 996/2    Zurück zum Text

7.17    Analyse d. Ausb. an den staatl. Schauspielsch. in d. DDR, Archiv M.f.K., Sign. Nr. 3004/1     Zurück zum Text

7.18    Vgl. Theater-Lexikon, Zürich u. Schwäbisch Hall 1983, Spalte 759: «Körber Hilde... Ausb. Akademie Wien 1920 - 22, seit 1924 in Berlin: Lucie in "Krankheit der Jugend" (Bruckner, 1928, Renaissanceth.), Berta in "Pioniere in Ingolstadt" (Fleißer, Urauff. 1929, Th. am Schiffbauerdamm   )... 1931 Staatsth. Berlin... 1945 Hebbelth... 1948 Renaissanceth... 1961 Th. am Kurfürstendamm; 1951-1969 Leiterin der Max-Reinhardt-Schauspielschule Berlin.»    Zurück zum Text

7.19     Diese im Vergleich mit den neun damals existierenden staatlichen Schauspielschulen der BRD relativ große Schauspielschule Westberlins, 1964 angeschlossen an die Musikhochschule (später Hochschule der Künste), pflegte nicht das Reinhardtsche Erbe, sondern den «Pluralismus der Stile», von den eigenen Studenten sinnigerweise «Psycho-Wälzungen» genannt. Die Studenten beklagten überdies die Praxisferne ihrer Ausbildung. Aussagen dazu in: Sendung des Westberliner Fernsehens, III. Programm, 22.8.1985     Zurück zum Text

7.20      Haushaltpläne 1951, Archiv M.f.K., Sign. Nr. 1007/1     Zurück zum Text

7.21     Analyse d. Ausb. an d. staatl. Schauspielsch. in d. DDR, Archiv M.f.K., Sign. Nr. 3004/1     Zurück zum Text

 

 

 

 

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