„Die Räuber“ von Friedrich Schiller,

Maxim Gorki Theater Berlin,

Regie Maxim Vallentin und Hans Dieter Mäde

 

 

Maxim Vallentin und Hans Dieter Made haben im Berliner Maxim Gorki Theater „Die Räuber" neu inszeniert. Das Publikum wird aufgerüttelt vom Ruf nach der Republik und kostet bis zur Neige aus das Scheitern des „hochherzigen Jünglings" Karl; es wird abgestoßen vom Ruf nach Unterdrückung und verfolgt erregt das Ende des zynischen Menschenverächters Franz.

Jedoch: Das Haus setzt der Aufführung eigenwillige Grenzen. Diese Bühne kann den Blick nicht freigeben auf die Böhmischen Wälder. Ein kümmerlicher, stilisierter Baum vor tristem Hintergrund ersetzt nicht, was zur Urwüchsigkeit der „Räuber"-Szene gehört. Die Räuber brauchen Raum für ihre Aktionen. Hier ist er nicht. So können die Regisseure ihre Konzeption nicht ausleben. Wi­der Willen werden sie in die Defensive gedrängt. Diese Kammer­spielbühne ist adäquat allein für die Szenen im Schloß. Und jener Streit zwischen Amalia und Franz, den Amalia mit der Vertreibung Franzens beendet, ist dann auch auffallend dicht. Filigranarbeit.

Sabine Krug gibt der Amalia edle Substanz, aufgeklärten Geist und eine reine Seele. Eine geschlossene Darstellung. Helmut Müller-Lankows Franz ist eher ein rustikaler Bastard, denn ein aristokratischer Nachkomme des alten Moor. Müller-Lankow agiert ohne Kulissen-Verschlagenheit, aber zuweilen mit aufdringlicher Laut­stärke. Wenn er schreit, verliert er an Ausdruck. Ein Aristokrat ist der Karl Moor Albert Hetterles. Er ist kein Schauspieler der Explo­sivität. Sein Karl wird von den Ereignissen mehr gedrängt, als daß er sie mit vorantreibt; er gibt einen Karl des späten, nicht des Schillers der Karlsschule. Aber das liegt auch an der Regie, die in dem Streben nach literaturhistorischer Gültigkeit die Schillersche Urwüchsigkeit, das frische Pathos rebellischen Anspruchs und Auf­bruchs um Nuancen aus dem Auge verloren hat.

In den weiteren Rollen fällt Walter Jupe als Spiegelberg auf. Dieser kleine Existenzphilosoph mit Angst in den Hosen und Unsinn auf der Zunge intrigiert sich durch die Szene, daß seine modernen Nachkommen noch was lernen könnten. Jochen Thomas als Schweizer ist wieder einmal ein braver, treuherziger Kerl ohne Tadel, seine Affekte freilich bleiben hausbacken gewollt, ohne volks­tümliches, ursprüngliches und mitreißendes Temperament; Willi Narloch spielt den Pater mit ernster, gemessener Manier; Kurt Steingraf gibt den Maximilian anfangs so rüstig, daß Franz offenbar auch hinter der Szene tätig ist, um seinen Vater dann doch noch schön mürbe zu kriegen.

 

SONNTAG, 31. Juli 1960