„Lokomotive im Spargelbeet“ von Claus Hammel am Volkstheater Rostock, Uraufführung, Regie Hanns Anselm Perten

 

 

Wohlbehütete Idylle

 

Viele Jahre schon währt die schöpferische Zusammenarbeit des Volkstheaters Rostock mit Claus Hammel. Noch in guter Erinnerung ist dessen Komödie „Die Preußen kommen" (1981). Jetzt brachte Intendant Hanns Anselm Perten mit der Uraufführung der „Lokomotive im Spargelbeet" ein Stück auf die Bühne, das neue Anregungen gibt für heiter-freundlichen Umgang mit Gegenwart.

Claus Hammel hat einen wachen Blick für Komik im Alltag, Fähigkeit zu satirischer Zuspitzung. Und er liebt die Menschen, die unsere sozialistische Gesellschaft mitgestalten. Er ist ihr Partner, ihr Kampfgefährte, kein Besserwisser.

Da ist der schrullige Richard Scharping, ein Lokführer in Rente, der sich von seiner Dampflokomotive der Baureihe 86 nicht trennen möchte und sie nun — dies sozusagen positives absurdes Theater — in seinem Kleingarten stehen hat, dort, wo seine Frau eigentlich das Spargelbeet anlegen möchte. Tag für Tag spielt er mit der Lok, heizt sie, gibt Signale, natürlich nicht ausschließlich zur Freude der Nachbarn. Und da ist sein resoluter Kontrahent Steguweit, ehemaliger Leiter des Bahnbetriebswerkes, der für die Umstellung auf Dieselloks gekämpft hatte und mittlerweile dem jungen Falbe Platz gemacht hat, der nunmehr die Elektrifizierung plant.

Dynamische Prozesse der Wirtschaft spiegeln sich im Handeln dieser Figuren. Und im Konflikt zwischen Scharping und Steguweit finden Kraft, Zuversicht und Witz der Arbeiterklasse auf komödische Weise ihren Ausdruck. Aufopferungsvoll arbeiteten beide, jetzt blicken sie mit einer Portion Lebensweisheit zurück. Und der Rappelkopf Scharping erringt mit seiner Hartnäckigkeit sogar noch im Ruhestand einen Erfolg — sein „Schützling" wird nicht verschrottet werden, sondern als Rangierlok nochmals in Dienst gestellt...

Hammel schreibt kabarettistisch pointierte Dialoge. Seine Wirkungen kommen von daher, kaum vom Bau komischer Situationen oder gar von deren zügiger Abfolge. Im Gegenteil. Er läßt sich Zeit, seine schnurrige Geschichte zu erzählen und ihr gemäße Charaktere zu zeichnen. Das macht er sorgfältig und mit Sympathie für deren Vorzüge und Schwächen. Das Bild von der Lokomotive im Spargelbeet wird unversehens auch eins von einer wohlbehüteten Idylle, von der aus ein Veteran selbstbewußt und unnachgiebig noch hineinwirkt in den Arbeitsalltag.

Nicht alle Einfälle stehen für eine Komödie. Die herumrecherchierende Journalistin bleibt abgegriffenes Theaterklischee. Und der nur per Tonband auftretende Gast aus Polen ist eine dramaturgische Verlegenheit, die das komische Genre überanstrengt.

Derlei Unsicherheiten im Genre, auch hier und da fehlende Motive, verbirgt Regisseur Hanns Anselm Perlen geschickt, indem er das Stück eher als Lustspiel inszeniert denn als hintersinnige Komödie. Einige Darsteller freilich argumentieren mehr, als daß sie spielen. So gehen Wirkungen verloren. Eindrucksvoll ist Bühnenbildner Falk von Wangelins Dampflok, die lebensgroß und schnaufend auf die Bühne fährt und den drastisch-dekorativen Hintergrund abgibt.

Situationen genau erfassend, agiert Karl-Heinz Fischer als Gastwirt Poggbach, akkurat ein beflissener Kneipier mit zurückhaltender Erbötigkeit und dabei trocken-schlagfertig. Auch Christine Reinhardt gefällt als Kellnerin Elli. Peter Radestocks Lokführer a. D. Scharping ist ein liebenswert-störrischer Dickkopf. Jovial-elegant gibt sich Erhard Schmidt als ehemaliger Leiter Steguweit.

Dieser Steguweit und Scharping liefern sich einige Attacken, die ahnen lassen, wie beharrlich sie früher auch im Arbeitsalltag um beste Lösungen gerungen haben. Wenn sie sich als alte Kampfhähne auch jetzt nichts schenken und ihre Streitlust zugleich schmunzelnd ironisieren, dann sind das die schönsten Momente dieser vergnüglichen Aufführung.

 

 

 

Neues Deutschland, 4. Januar 1985