„König Kacke“ von Jürgen Holtz im Ei Berlin, dem Kleinen Theater des Friedrichstadt-Palastes, Regie Hans-Joachim Frank

 

 

 

Toilettenbürste als Zepter

 

Schreiße schreit er nicht wie Alfred Jarrys Hanswursttyrann „König Ubu" aus dem Jahre 1896. „König Kacke", der in zeitnaher Sprachstruktur adaptierte Staatsstreicher des Jürgen Holtz, uraufgeführt im „Ei", der Kleinen Bühne des Berliner Friedrichstadtpalastes, ist dennoch ein respektabler Nachfahre. Im Fäkalischen wie im Diktatorischen.

Gefährlich Machthungrige mit Spatzenhirn und Dickwanst sterben nicht aus, wie man weiß. Obwohl dies eigentlich das traurigste Kapitel der Menschengeschichte ist, liegt seit Jarry das literarische Angebot vor, auch mal deftig darüber zu lachen. Ein rechter seelischer Befreiungsschlag wird es freilich nicht, kann es nicht werden, auch nicht bei Jürgen Holtz, weil tyrannische Willkür einfach zu gegenwärtig ist.

Hans-Joachim Frank hat das clowneske Spektakel - in Coproduktion mit dem „theater 89" -hervorragend in Szene gesetzt. Mit Phantasie und stilsicherer Hand meistert er das schwierige, so gar nicht erprobte Genre solch grotesker Politfarce. Die Toilettenbürste als Zepter ist gleichsam das Signum der Inszenierung. Die Spieleinfälle jagen sich, erschöpfen sich nicht, sind immer frisch und beredt.

Vorgebracht nun allerdings von einem über sich selbst hinauswachsenden Darsteller: Achim Wolff als Vater alias König Kacke. Wolff ist einfach fabelhaft als dieser dummdreiste, miefige Kleinbürger, der sich erst einmal ins Vertrauen seines Herrschers schleicht und dann machthungrig putscht. Ein beleibter Herr mit Suffnase und dicken Tränensäcken (Maske Waltraud Bolick) raunzt und furzt, frißt und mordet, bramarbasiert und politisiert, bald gefühlsroher Tyrann, bald feiger Hasenfuß. Droht Gefahr, ist er's nicht gewesen, schickt er Mutter vor. Gabriele Heinz gibt die Komplizin mit schauspielerischer Emphase. Da stimmt jedes Wort, jede Geste.

Auf dem von Anne-Kathrin Hendel disponierten Spielplatz agieren vorzüglich auch Eberhard Kirchberg (Jauche), Johannes Achtelik (König), Thomas Pötzsch (Erwin) und Astrid Pilzecker (Königin). Hannes Zerbe steuerte eine virtuose Musik bei. Nach der Pause ließen sich gewisse Längen meiden. Alles in allem aber ein Abend, den man sich zufügen kann.

 

 

Neues Deutschland, 10. Februar 1992