„Volpone“ von Ben Jonson am Theater im Palast Berlin, Regie Vera Oelschlegel

 

 

 

Abend mit großen Schauspielern

 

In einem Vorspiel arrangiert Willi Schwabe liebenswürdig-verbindlich das vergnügliche Einvernehmen mit dem Publikum. Girrende und hopsende Clowns assistieren ihm (Pantomime: Eberhard Kube). Auch die Szenerie (Frank Borisch) verspricht Heiteres. Ben Jonsons „Volpone" wird am Theater im Palast in Berlin gespielt. Vera Oelschlegel inszenierte in Starbesetzung.

Jonson, Zeitgenosse Shakespeares, signalisierte in dieser satirischen Sittenkomödie aus dem Jahre 1606, welche Auswüchse bürgerlicher Lebensweise sich entfalteten, Erbschleicherei insonderheit prangerte er an. Ein Vater enterbt den Sohn, weil er sich Gewinn verspricht. Ein Kaufmann bietet seine Gattin feil, weil ein kapitales Erbe winkt. Ein Advokat verdreht die Wahrheit, weil's ihm nützt. Jonson verurteilt die Schuldigen moralisch. Er hofft noch, die Bürger mittels Kunst in rechter Lebensführung zu unterweisen und zu bessern.

Heute und hier kann uns solch moralisierender Effekt kaum den Zugang zum Stück vermitteln. Schon die von Elisabeth Hauptmann und Benno Besson stammende Übersetzung und vor allem die Liedtexte von Bertolt Brecht mit der Musik von Hanns Eisler suchen die überlegene Ironie. Und Vera Oelschlegel tat gut daran, das Geschehen gelegentlich bis zu groteskem Spott zu treiben. Wenn etwa der altersschlappe Corbaccio (Michael Pan) aus Geldgier plötzlich mit federnder Kraft über die Barriere fegt. Oder wenn der zusammengesunkene Corbaccio dem nur Krankheit vortäuschenden Volpone ins Bett gepackt wird.

Ekkehard Schall stellt den Volpone dar. Er zeichnet einen feisten Nimmersatt, protzig-übermütig durch seine Erfolge beim Geldmachen, gibt ihm Züge von Machtbesessenheit und -rausch. Sie lassen die Gefährlichkeit künftiger bourgeoiser Machtentfaltung ahnen. Wenn ihm ein knackiges Weibchen (Daniela Hoffmann) zugeführt wird, versucht er auch da, mit seinem Reichtum der Werbung Nachdruck zu verleihen. Selbst vor Brutalität schreckt er nicht zurück. Immer lebt da eine gleichsam instinktive Sucht nach hohnlachender Überlegenheit über andere.

Inge Keller als die Lady Would-Be: locker, souverän, mit komödiantischem Pfiff. Ein zauberhafter Umgang mit der Figur, die sich in ihrem trockenen englischen Humor auch selbst nicht immer ganz ernst nimmt. Klaus Piontek als Mosca: Hinter erhabener kühler Lässigkeit lauert der clevere Parasit. Piontek bringt Figuren-Realismus ein und Situations-Genauigkeit. Hans-Peter Minetti gibt den Advokaten Voltore mit schneidender Schärfe. Hart, bestimmt, knapp in genauer Geste, körperlich gewandt. List und Hinterlist sind agil zu dreistem Argument gebündelt, Rolf Ludwigs Kaufmann Corvino ist ein Gauner von verbohrter, grimmiger Raffgier. Geschäfte witternd, legt er auch die Ehemoral nach Bedarf aus.

Im Umkreis dieser Großen des Theaters bewährt sich talentierter Nachwuchs. Genannt seien Elke Reuter und Jens-Uwe Bogadtke als das venezianische Liebespaar.

 

 

 

Neues Deutschland, 19. September 1984