6. Der Neubeginn (1945 1951)

 

 

 

 

 

 

6.7  Schulzeit auf drei Jahre heraufgesetzt

 

Trotz tagtäglicher Verleumdungen und böswilliger Aktionen seitens Westdeutschlands war es in der sowjetischen Besatzungszone in Befolgung der Maßgaben des Potsdamer Abkommens gelungen, eine antifaschistisch-demokratische Ordnung zu errichten: Imperialismus und Militarismus hatten keine sozialökonomische Basis mehr, aus dem kulturellen Leben war der antihumanistische Ungeist des Faschismus verbannt.

Für das Gedeihen dieser jungen, unfertigen und in Deutschland ganz und gar neuen Sozialordnung mussten die politisch führenden Kräfte im Osten Deutschlands (6.57) zwangsläufig Entscheidungen treffen, nachdem die Westmächte und ihnen willfahrende deutsche Politiker im September 1949 die Spaltung Deutschlands besiegelt hatten. Mit der ersten Sitzung des westdeutschen Bundestages waren die Weichen eindeutig und endgültig gestellt worden.

So entstand am 7. Oktober 1949 mit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik ein Staat in der deutschen Geschichte, in dem Faschismus, Militarismus und Imperialismus beseitigt waren. «Im Osten Deutschlands», schrieb damals Bertolt Brecht, «hat sich nach einem schrecklichen Krieg ein Arbeiter-und-Bauern-Staat gebildet, der Politik und Wirtschaft nach völlig neuen Grundsätzen behandelt. Eigentums- und Produktionsverhältnisse sind gründlich geändert worden, und die öffentlichen Geschäfte sowie die Meinungsbildung der Bevölkerung folgen bisher unerhörten Methoden.» (6.58)

Es war eine Sozialordnung entstanden, die dem befreiten deutschen Theater neue Perspektiven eröffnete. Gleichsam als eine Vorahnung dessen und als ein erstes Beispiel hatte Bertolt Brecht am 11. Januar 1949 mit der Aufführung seines Schauspiels «Mutter Courage und ihre Kinder» mit Helene Weigel in der Titelrolle einen programmatischen ästhetischen Beitrag geleistet. Das Berliner Ensemble, im Juni 1949 konstituiert, verkündete sehr bald und weithin in alle Welt mit hervorragenden künstlerischen Mitteln die unbedingte Friedensliebe des jungen deutschen Arbeiter-und-Bauern-Staates.

 

 

courage

 

„Mutter Courage und ihre Kinder“ von Bertolt Brecht  -  Aufführung des Berliner Ensembles mit Angelika Hurwicz (l.), Helene Weigel, Ernst Kahler und Hannes Fischer (r.)

 

 

In der Arbeit der Schauspielschule des Deutschen Theaters spiegelten sich die Prozesse der revolutionären Veränderung der Gesellschaft in der Aussage ihres Leiters Horst Hoffman so: „Was die Bühne heute braucht, sind nicht mehr verwöhnte, kapriziöse Kinder reicher Eltern, die es romantisch finden, Schauspieler zu werden. Wir brauchen Persönlichkeiten, jung, aber zielstrebig.“ (6.59)

In einem Bericht über die Schule vom 12. Oktober 1949 hieß es: «Von 34 Schülern sind 14 Stipendiaten. Sie bekommen zwischen 50 und 150 Mark Beihilfe im Monat». (6.60) Noch kostete der Schulbesuch monatlich 90 Mark. (6.61) Für die Aufnahmeprüfung war eine Gebühr von 20 Mark zu entrichten. Bei nachgewiesener Bedürftigkeit war teilweise oder ganze Stundung des Schulgeldes möglich. (6.62) Anträge auf Stipendien konnten an die Hans-Otto-Stiftung gerichtet werden. (6.63) Finanziert wurde die Schule nun über das Ministerium für Volksbildung. Die Schulzeit war von zwei auf drei Jahre heraufgesetzt worden. «Das dritte Schuljahr wird bereits praktisch am Deutschen Theater absolviert, wobei aber die Schulverpflichtung bestehen bleibt.» (6.64)

Zu den Lehrfächern gehörten: Atmung, Sprechen, Rollenstudium, Gesang, Gymnastik, Fechten, Tanz, Bewegung, Improvisation, Ensemblespiel, Musik, Kultur-, Kunst- und Literaturgeschichte, Soziologie, Vorträge und Diskussionen. (6.65) «Das Fachstudium: jugendlicher Held, Bonvivant, Intrigant usw. gibt es an der Schauspielschule des Deutschen Theaters nicht. Jeder muß jede Rolle spielen können.» (6.66) Als Lehrkräfte wirkten: Prof. Herbert Gute, Annerose Hurle, Prof. Heinrich Kilger, Margarete Langheinz, Gerda Müller, Hans Stiebner, Hilde Buchwald-Wegeleben, Agnes Windeck und Hilde Hoppe-Klatt. Zu ihren Schülern zählten u.a. Sabine Krug, Hannes Fischer, Horst Schönemann, Irma Münch, Wolf-Dieter Panse, Ruth Peter, Felicitas Wenck und Elke Krone.

 

 

krug,sabine    fischer,hannes    schönemann,horst_a

Sabine Krug                              Hannes Fischer                Horst Schönemann

 

 

 

 

 

Anmerkungen:

 

6.57    Mit jeder Stunde wird klarer, dass die Bedrohung für den Frieden, hervorgerufen durch die Spaltung Deutschlands seitens der anglo-amerikanischen Imperialisten und ihrer in Deutschland gedungenen Helfershelfer, nur durch die Bildung einer deutschen Regierung mit dem Sitz in Berlin, der Hauptstadt Deutschlands, überwunden werden kann.“ Erich Honecker an das Sekretariat des Deutschen Volksrates, Neues Deutschland, Berlin 4. Oktober 1949    Zurück zum Text

6.58     Bertolt Brecht, Politik und Gesellschaft, Bd. II, Berlin 1968, S.211    Zurück zum Text

6.59        Zitiert in: Franz Förster, Ich brenne und ich schreie..., Deutsche Woche, Berlin 12. Oktober 1949    Zurück zum Text

6.60        Ebenda    Zurück zum Text

6.61        Vgl. Theater - Film - Funk in der DDR, Berlin 1950, S. 209    Zurück zum Text

6.62        Vgl. ebenda    Zurück zum Text

6.63     Die Hans-Otto-Stiftung hatte den Zweck, den durch die Nationalsozialisten ermordeten Schauspieler Hans Otto dadurch in bleibender Erinnerung zu halten, dass in seinem Namen jungen Menschen in bedrängter wirtschaftlicher Lage die Ausbildung in einem künstlerischen Beruf ermöglicht wurde. Vorsitzender des Beirates war Wolfgang Langhoff, vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch, Berlin 1948, S.61    Zurück zum Text

6.64         Franz Förster, Ich brenne und ich schreie..., a.a.O.    Zurück zum Text

6.65         Vgl. Theater - Film - Funk in der DDR, Berlin 1950, S. 209     Zurück zum Text

6.66         Franz Förster, a.a.O.     Zurück zum Text

 

 

 

 

 

Weiter zu „Umorganisation angekündigt“